Montag, 15. Juni 2015

15.06.15 - „Interview mit Kondwani“

Vor längerer Zeit (etwa Januar) hatte ich ein Interview mit meinem Kumpel Cliffi geführt und darüber einen Blogeintrag verfasst. Dabei bin ich auf positive Resonanz gestoßen und ein paar Leute meinten zu mir, dass ich doch mehr solcher Interviews führen könnte. Gesagt getan, wenn auch minimal später als geplant.

Für mein diesmaliges Interview habe ich mir Kondwani Kumwenda ausgesucht. Am Anfang meiner Zeit in Malawi hat er direkt neben unserem Haus gewohnt, von daher haben wir viel Zeit zusammen verbracht. Aus gewissen Gründen musste er dort jedoch ausziehen. Was ein Glück wohnt er aber auch jetzt nicht all zu weit weg und von daher sieht man sich noch regelmäßig. Außerdem ist er ein Schüler an der Tawuka School und besucht derzeit die Form 2.
Sein Name „Kondwani“ stammt übrigens aus der Sprache Chitumbuka und bedeutet übersetzt „glücklich“, was ziemlich auf seinen Charakter zutrifft.
Am gestrigen Sonntagnachmittag, wo meistens nicht all zu viel zu tun ist, haben wir uns hinter das Haus auf eine Matte gesetzt und das Interview geführt.
Das Interview begann natürlich ganz klassisch mit Name, Alter, Geburtsort etc. Den Namen wisst ihr nun ja schon, Alter: wird im Dezember 18, Geburtsort: Rumphi (auch im Norden Malawis, jedoch südlicher als Chilumba und weit vom See entfernt.).
Seine Mutter heißt Theresa Luhanga, hat keine Anstellung, arbeitet dafür zu Hause als Hausfrau.
Sein Vater heißt Manwiek Kumwenda und hat in irgendeinem Gremium gearbeitet – ganz habe ich es auch nicht verstanden. Genau am Tag unseres Interviews (31.05.) ist aber wohl der Arbeitsvertrag abgelaufen und der Vater ist am überlegen nach Sambia zu gehen. All zu viel wusste Kondwani zu den Plänen von ihm jedoch auch nicht.
Zu dem Vater lässt sich noch sagen, dass er mit zwei Frauen verheiratet ist. In Malawi ist Polygamie nichts unübliches und somit auch nicht illegal. Insgesamt hat der Herr acht Kinder und wohnt mit der jüngeren Frau zusammen.
Kondwanis Mutter ist die Ältere von den Beiden und hat drei Söhne. Der Jüngste heißt Tsopani Kumwenda (11 Jahre alt), dann kommt Kondwani selber und der Älteste ist Zakalia Kumwenda (21 Jahre alt).


Bei dem Thema Polygamie fand ich es total interessant seine Meinung dazu zu hören und habe ihn gefragt: „Wie findest du es, dass dein Vater zwei Frauen hat?“
Direkt kam als Antwort: „Nein, dass mag ich nicht. Es ist schwierig sich um beide zu kümmern. Mit zwei Frauen kann es keinen Frieden in der Familie geben. Es gibt einfach zu viele Streitigkeiten.“
Seit er in Standard 3 ist (etwa sieben Jahre her) wohnt sein Vater nicht mehr bei ihnen. Er kümmert sich wohl grundsätzlich viel mehr um die jüngere Frau. „Bist du sauer auf deinen Papa?“. Seine Reaktion: „Ja, aber es interessiert ihn nicht wirklich. Ich habe es ihm auch noch nie erzählt, aber an meinem Verhalten ihm gegenüber kann man es spüren.“
Was ich bei solchen Interviews mit Jugendlichen in Malawi sehr spannend/interessant finde, wie es wäre, wenn man diese Fragen einem Jugendlichen in Deutschland stellen würde. Wären die Antworten erstaunlich ähnlich oder komplett anders. Diesen Gedanken kann man sich beim Lesen ja mal im Hinterkopf behalten.


Ich: „Was ist dein Ziel/Traum für die Zukunft?“
Er: „Ich möchte Journalist werden, aber vorher in Blantyre studieren. In der Schule bin ich gut in English Grammar, außerdem mag ich Geschichte. Sollte es mit Journalismus nichts werden, lerne ich etwas Richtung Jura in Malawi.“

 
Ich: „Wenn du einen Wunsch frei hättest, was wäre das?“
Würde mir jemand diese Frage persönlich stellen müsste ich sehr lange nachdenken. Die ersten Ideen wären wahrscheinlich so etwas wie Weltfriede, keine Krankheiten mehr, Gerechtigkeit für alle etc.
Bei ihm kam die Antwort jedoch ohne großes Überlegen: „Genug Geld für meine Schulgebühren!“

 
Carmen und ich haben uns beide dazu entschieden nach unserer Zeit in Malawi selber einen Schüler bezüglich der Schulgebühren zu unterstützen. Carmen hat sich meinen diesmaligen Interviewpartner Kondwani ausgesucht. Aus diesem Grund stellte ich ihm diese Frage: Wie ist es für dich, dass Carmen dich unterstützt?“
Er: „Es macht mich glücklich, ich bin dankbar und froh, dass ich keine Sorgen mehr um die Schulgebühren habe!“


Nun kam eine komplett andere, meines Erachtens nach aber sehr interessante, Frage.
Ich: „Was denkst du über Deutschland?“
Er: „Ich denke, dass dieses Land im Vergleich zu Malawi ein sehr reiches Land ist. Außerdem ist die Technologie sehr hoch und die Leute sind nicht arm.“
 

Ich: „Und was denkst du über die Leute in Deutschland?“
Zu meinem Erstaunen fiel ihm die Frage scheinbar schwer und er musste lange nachdenken. Dafür war seine Antwort am Ende aber umso lustiger:

„Sie sind größer als Malawier.“ 
Über diese Antwort musste er selber lachen. Er fügte aber noch hinzu, dass er glaubt, dass Leute in Deutschland gut entwickelt und gebildet sind.

Ich: „Nenne mir drei Dinge die du an Malawi wirklich liebst.“
Er: „1. Es ist ein friedliches Land und ich habe das Gefühl in Frieden leben zu können. 2. Es gibt genug Land zum Anbauen von Nahrung. Platz ist kein Problem. 3. Ich liebe Malawi, weil ich Malawier bin.“

 
Ich: „Und nun drei Dinge die du an Malawi nicht magst.“
Er: „1. Die Leute in Malawi sind sehr arm und nur wenige gut gebildet. 2. Die Bildung ist nicht gut. Es gibt nicht genug Schulen. Weder Primary noch Secondary Schools – die Wege sind oftmals viel zu weit. 3. In vielen Jahren gibt es nicht genug Essen für die Leute.“

 
Über seinen letzten genannten Punkt wollte ich gerne mehr wissen, weil ich es total interessant fand mehr darüber zu erfahren. Solche Situationen, dass es nicht genug zu Essen gab, hat er wohl schon öfter miterlebt. Diese Phasen sind wohl sehr taff und es ist ein schlimmes Problem. Er hat wohl sogar miterlebt, dass Leute vor Hunger gestorben sind. Außerdem fangen die Leute vor Not an zu stehlen und es gibt keinen Frieden. Die Regierung unterstützt die Leute nur zu einem kleinen Bruchteil. Ich fand es erstaunlich wie neutral er darüber gesprochen hat. Ich habe persönlich was ein Glück noch nie Hunger leiden müssen und ich glaube, dass es heutzutage kaum noch Menschen in Deutschland gibt die ernsthaft hungern, geschweige denn vor Hunger sterben...


Ich: „Was wirst du am meisten vermissen, wenn Carmen und ich nicht mehr da sind?“
Er: „Ich werde eure große Unterstützung vermissen. Ihr unterstützt uns in vielen Dingen, z.B. wenn gerade nicht genug Geld für Essen da ist. Außerdem werde ich keine Freunde zum chatten (quatschen) mehr haben. Ebenso werden wir die deutschen Tänze verlernen, die du versucht hast uns beizubringen. Da gibt es aber noch vieles mehr...“

 
Ich: „Irgendetwas was du an die Leute in Deutschland noch sagen möchtest?“
Er: „Du musst sie in Chitumbuka mit 'Monire mose.' begrüßen.“ Übersetzt heißt das „Hallo alle zusammen.“. Außerdem hat er noch hinzugefügt: „Wenn sie wollen, dürfen sie gerne malawische Kinder unterstützen, aber auch die Alten. Zum Beispiel mit Geld für genug Kleidung, Bücher und die Möglichkeit in die Schule gehen zu können.“

 
Das Erstaunliche an diesem Interview war, dass ich vorher gar nicht wusste, dass Kondwani schon so vieles miterlebt hat. Ich wusste, dass es in seiner Familie nicht ganz einfach ist und es somit ganz oft Probleme bei den Schulgebühren gibt, aber das mit den Hungersnöten hat mich doch sehr mitgenommen.
Kondwani hat mir am Ende erzählt, dass ein großes Problem vor allem darin liegt, dass die Düngemittel viel zu teuer sind und es sich die meisten Leute auf dem Land nicht leisten können. Dadurch sind die Maiskolben viel kleiner und von kleinen Tierchen angegriffen. Außerdem spürt man wohl den Klimawandel und die Regenfälle kommen viel später als gewohnt, somit verschiebt sich von der Ernte her alles.
Speziell in der Region Chilumba wo ich wohne, gibt es solche Probleme wohl kaum. Die Leute haben hier das Glück das ganze Jahr über Mais oder Cassava (Maniok) zu haben. Die Maissaison geht von etwa Februar bis Anfang Juni (Regensaison in Malawi), was die Leute das ganze Jahr über mit Maismehl für den Nsima (Hauptnahrungsmittel Malawis) versorgt. Fällt die Ernte schlecht aus gibt es immer noch den Cassava, der vor allem trockenes und heißes Wetter bevorzugt. Ist also nicht genug Regen für den Mais da, gedeiht der Cassava ohne Probleme, der außerdem keine Düngemittel benötigt. Durch einen längeren und weitaus aufwendigeren Prozess kann jedoch auch daraus Mehl für Nsima „gewonnen“ werden. Cassava wächst wohl aber nicht. Ich habe versucht zu verstehen, warum Cassava nicht einfach in allen Teilen Malawis gepflanzt wird. Ein Grund liegt darin, dass er nicht überall angepflanzt werden kann und es auch mit kulturellen Traditionen zusammenhängt, dass es einfach nicht üblich ist.


Das Gespräch mit meinem Kumpel Kondwani hat mich sehr zum Denken angeregt, Euch ja vielleicht auch. Diese Woche musste ich mich von ihm verabschieden, weil er schon in sein Heimatdorf gefahren ist. Der Abschied war wirklich sehr traurig, weil er einer meiner besten Freunde in Malawi war/ist und ich ihn sehr ins Herz geschlossen habe. Ich hoffe, dass ich ihn irgendwann nochmal in diesem Leben wiedertreffen kann, dass würde ich mir sehr wünschen!


Kurze Erläuterung zu ein paar Begriffen:
–    Grundschule nennt man „Primary School“ und dauert in Malawi acht Jahre. Ein Schulkind geht also von Standard 1 bis Standard 8 zur Schule.
–    Sekundarschule heißt „Secondary School“ und geht hier vier Jahre lang. Man sagt auch von Form 1 bis Form 4. Danach besteht die Möglichkeit ein College oder eine Universität zu besuchen.

Montag, 8. Juni 2015

Bilder #8

Im Haus unseres Direktors- muss alles mit der Hand geschaelt werden
meine Nachbarjungs

31.05.15 - „Baumschule adé“

In den vorherigen Blogeinträgen habe ich fast nur über positive Erlebnisse und Eindrücke berichtet (außer vielleicht meine Malaria und ein paar andere komische Krankheiten). Jetzt gibt es jedoch auch mal eine nicht ganz so coole Neuigkeit: Die Baumschule und somit auch das wirklich schöne Projekt existiert nicht mehr! Die Situation ist wirklich sehr eigenartig und auch Carmen und ich können es nicht so recht verstehen.
Fangen wir jedoch von vorne an:

Das Letzte Mal haben wir etwas von Keltone Mkandawire (so hieß der Leiter des Projekts) in den Osterferien gehört, als wir selber auf Reisen waren. Seit dem hatten wir gar keinen Kontakt mehr zu ihm. Wir können ihn weder auf dem Handy erreichen, noch hat er uns eine Nachricht zukommen lassen. Auch ein Kumpel von ihm hat sich schon bei uns gemeldet, weil Keltone noch wichtige Sachen, wie einen Laptop und ein Arbeitsdokument, von ihm hat. Kürzlich waren wir bei Keltones Haus, um uns selber ein Bild von der Lage zu verschaffen. Wo vorher unsere kleine umzäunte Baumschule stand, ist jetzt ein umgegrabenes Kartoffelfeld. Nichts von dem Alten ist mehr über.... Auch die Nachbarn meinten, dass er vor etwa zwei Monaten mit seiner Familie weggefahren ist - wohin, dass weiß leider keiner so genau.
Die Situation ist echt enttäuschend, weil wir viel Potenzial in der Baumschule gesehen haben. Schließlich standen wir kurz davor eine NGO zu werden und es gab schon Organisationen wie „USAID“, die bereit gewesen wären uns finanziell zu unterstützen. Es geht Carmen und mir nicht zwangsläufig um das Geld, welches wir persönlich investiert haben, sondern vor allem um die Zeit und das Vertrauen gegenüber Keltone.
Seit Malawi bin ich grundsätzlich gegenüber Leuten misstrauischer geworden. Das Problem ist leider oftmals, dass die Mitmenschen vor allem als erstes deine Hautfarbe sehen und nicht zwangsläufig deinen Charakter. Weiße Haut bedeutet in der Regel= viel Geld, reich. Sonderlich übel kann man es ihnen jedoch nicht nehmen. Die meisten Weißen die sie kennen sind Touristen, welche in großen Autos das Land durchqueren und um einiges wohlhabender als sie selber erscheinen. Nur wenige Malawier könnten sich selber so etwas leisten. Das es Armut in Europa gibt, können sie sich gar nicht vorstellen. Die Frage ist dabei, woher auch?
Nochmal zurück zu Keltone und das „Problem“ mit der Hautfarbe. In solchen Situationen ist es nicht immer ganz einfach zu erkennen wer wirklich dein Freund sein möchte. Mit Keltone war es ähnlich. Er war derjenige der auf Carmen und mich zugekommen ist und uns um Hilfe bzw. Unterstützung gefragt hat. Wir waren am Anfang etwas „vorsichtig“, wollten uns erst Mal alles genau angucken und haben schließlich erkannt, dass es Keltone ernst meint und selber sehr viel Herzblut in das Projekt gesteckt hat. Seit dem haben wir regelmäßig (besonders Carmen) mit ihm zusammengearbeitet und jede Woche konnten neue Erfolge verzeichnet werden.
Carmen und ich können uns auch ehrlich gesagt nicht recht vorstellen, dass das Verschwinden von Keltone mit uns zu tun hat, schließlich hätte er mit der Baumschule und der Idee, Briketts herzustellen ,demnächst eigenes Geld verdienen können...
Nun wisst ihr Bescheid, auch wenn ich Euch gerne mehr Informationen dazu gegeben hätte. Sollte sich etwas Neues herausstellen, lasse ich es Euch auf alle Fälle wissen!