Freitag, 13. Februar 2015

13.02.15 - "Interview mit Nachbar Cliffi"

Carmen hatte irgendwann mal die Idee gehabt, ein „Interview“ mit irgendeinem Menschen aus Malawi zu machen. Diesen Einfall fand ich so schön, dass ich diese Überlegung in die Tat umgesetzt habe. Also habe ich meinen Nachbarjungen Cliffi (eigentlich heißt er Clifford) gefragt, ob er Lust hätte mir ein paar Fragen zu sich und seinem Leben in Malawi zu beantworten. Er meinte: „Warum nicht.“.
Kurze Erläuterung, warum ich ausgerechnet Cliffi ausgewählt habe: Der Grund ist, dass er so etwas wie mein bester Kumpel in Malawi ist und er ständig vorbeikommt. Sei es um nur kurz „hallo“ zu sagen, weil ihm langweilig ist oder er sein Handy aufladen möchte. Cliffi ist halt einfach immer da!


Kurz ein paar Fakten über ihn. Sein vollständiger Name ist Clifford Mwenitete und 20 Jahre alt. Insgesamt hat er zwei Schwestern und fünf Brüder.
Die Mädels heißen Malita (8 Jahre) und Passion (16 J.). Beide gehen noch auf die Primary School in St. Annes (auch ein Nebenort von Chilumba).
Die fünf Brüder heißen Obedience (25 J.), James (23 J.), Dennis (21 J.), Yuleka (15 J.) und der Jüngste der Familie ist 6 Jahre alt. Die ältesten Brüder kenne ich gar nicht, da sie außerhalb Chilumbas wohnen. Dennis geht auch auf die Tawuka Priv. Sec. School (die Schule an der ich unterrichte) und befindet sich in seinem letzten Schuljahr. Yuleka und Daniel besuchen ebenfalls noch die Primary School.
Cliffis Mama heißt Maclera Ngwira und ist seit 2007 Witwe. Sie hat einen kleinen Shop in einem Krankenhaus, womit sie ihr Geld verdient. Der Name des Vaters war Betti Mwenitete und beruflich war er als Farmer tätig.
Cliffi geht wie seine jüngeren Geschwister nach St. Annes zur Schule, allerdings auf die Secondary School. St. Annes ist innerhalb von 5 Minuten auf dem Fahrrad zu erreichen.
Seine Lieblingsfächer sind Physical Science (beinhaltet Chemie und Physik), Englisch und Agriculture.

Auf die Frage was seine Lieblingsbeschäftigung ist meinte er: „Chatten“ (also quatschen) mit Freunden, zur Kirche gehen und schlafen. Bei der Aussage mit dem Schlafen musste er lachen.

Eine andere Frage von mir war: „Cliffi, wenn du Deutschland hörst, was sind die ersten Begriffe, die dir dazu einfallen?“. Seine Antwort. „Großes Land, reiches Land und nette Leute.“.
Ich glaube fast jeder Malawier würde eine ganz ähnliche Äußerung über Deutschland machen. Vielleicht nicht unbedingt, dass wir alle nette Leute sind, aber definitiv, dass Deutschland ein reiches Land ist. Grundsätzlich denken die meisten Malawier das alle „Mzungus“ (so nennen sie die Weißen) sehr wohlhabend sind.

Nächste Frage: „Was würdest du mit 50.000 Kwacha (Währung in Malawi) machen?“. Umgerechnet sind 50.000 Kwacha etwa 100€ und hier in Malawi für die meisten Menschen unglaublich viel Geld!
Seine Antwort war ziemlich eindeutig: „Schulgebühren, Schulmaterialien und grundsätzlich was für die Schule notwendig ist davon bezahlen.“
Kurze Anmerkung – vielleicht habe ich es aber auch schon einmal erwähnt. In Malawi ist die Primary School (sozusagen Grundschule) umsonst. Für die meisten Secondary Schools (weiterführende Schule) muss man Schulgebühren zahlen.
Auf meine Nachfrage hin, ob er das Geld nicht lieber für sich selber verwenden würde, wie z.B. ein neues Handy oder vielleicht auch was zum Anziehen kaufen, meinte er ziemlich ernst, dass er sein Geld wirklich nur für die Schule ausgeben würde. Ich denke das sagt schon ziemlich viel aus, wie wichtig es für ihn ist zur Schule zu gehen.

Es ist einfach nicht selbstverständlich auf eine weiterführende Schule gehen zu können, einfach weil sich das nicht jedermann leisten kann.

Frage: „Cliffi, was würdest du gerne in Malawi verändern bzw. verbessern?“. Die Frage ist ihm meines Erachtens nicht ganz leicht gefallen, weil er sich darüber vorher noch nie Gedanken gemacht hat. Nach etwas überlegen und ein paar Anregungen meinerseits war er für mehr „Education“. Er hätte gerne mehr gut bezahlte Jobs, sodass jeder reich sein kann – das würde er sich wünschen. Außerdem fände er es super, wenn es mehr Möglichkeiten zum Reisen geben würde. Also das zum Beispiel mehr Trips/ Ausflüge von der Schule angeboten werden würden. Mehr konnte er mir zu dieser Frage nicht erzählen.

Was mich gewundert hat, dass er lange gebraucht hat, um mir eine Antwort auf die Frage zu geben, wie er sich eigentlich seine Zukunft vorstellt und ob er irgendwelche Wünsche hat. Er würde gerne einen Job finden – zum Beispiel Autos reparieren. Außerdem möchte er eine Frau und vier Kinder haben. Näher an einer Stadt zu leben wäre auch nicht schlecht. Sein Grund: Das Leben in der Stadt ist besser. Aber an sich hat er keine Träume für die Zukunft, weil er sich einfach noch keine Gedanken über seine Zukunft gemacht hat.

Ich:„Cliffi, möchtest du noch irgendetwas zum Abschluss sagen?“
Er:„Ja, ganz liebe Grüße an deine Leute in Deutschland. Außerdem kannst du ihnen sagen, dass das Leben manchmal ganz schön taff sein kann in Malawi.“
Ich: „Inwiefern?“
Er: „Sich zum Beispiel die Schulgebühren für die ganze Familie leisten zu können. Besonders für die jüngeren Geschwister.“
Wir sind danach etwas „ins Reden gekommen“ und das Interview war nicht mehr so sehr „Frage-Antwort-mäßig“.
Ich wollte gerne von ihm wissen, inwiefern er sich eigentlich für seine Geschwister verantwortlich fühlt. Vom Gefühl her hat er seines Erachtens nicht so viel Verantwortung, hauptsächlich die Mutter.
Oftmals ist es wohl sehr hart für die Mutter auf so viele Kinder aufzupassen, genug Essen für alle zu besorgen und jedem etwas zum Anziehen zu kaufen. An dieser Stelle würde ich gerne nochmal darauf „hinweisen“, dass diese Frau das Familienleben komplett alleine managed. Ich habe kürzlich erfahren, dass einer von ihren Söhnen noch nicht mal ihr leiblicher Sohn ist, sondern sie ihn sozusagen adoptiert hat. Ich kenne fast alle ihre Kinder und jeder von ihnen ist unglaublich wohl erzogen und sehr bescheiden. Ich finde das muss man auch erst mal meistern.
Cliffi sagt über seine Mama, dass sie einen guten Charakter hat. Wenn die Kinder etwas falsch machen und es weder für sie noch für die Kinder gut ist weist sie sie zurecht.
Am meisten liebt Cliffi seine Mama, wenn er neue Klamotten bekommt, was wohl sehr selten ist! Er mag neue Klamotten einfach total – warum? „To look special!“ lautete seine Antwort. Auf meine Frage, ob er dadurch seinen Stil verbessern kann musste er herzlich lachen.

„War das Interview eigentlich seltsam für dich Cliffi?“ Ja, dass war es für ihn irgendwie schon (wieder am lachen). Schließlich war es sein erstes Interview und ich war ungewohnt ernst und habe vorher noch nie so „tiefgründige“ Fragen gestellt.

DANKE Cliffi!



Was ich hierzu noch gerne als Fazit/ Abschluss sagen würde ist Folgendes:
Am Anfang habe ich mich selber gewundert, warum Cliffi so „schlecht“ auf die Frage antworten konnte, was er für Träume und Wünsche für seine Zukunft hat. Aus Deutschland bin ich gewöhnt, dass Kindergartenkinder voller Inbrunst sagen: „Ich werde Feuerwehrmann.“ Ein anderes Mädchen ist sich sicher, dass sie später auf jeden Fall eine Tierärztin im Zoo sein möchte.
Nach dem Abi heißt es dann: „Mh, weiß gar nicht wirklich was ich eigentlich nach der Schule machen möchte. Ausbildung ist öde, Studium kompliziert, ein FSJ im Ausland ist mir zu weit weg und die ganze Zeit in meiner Heimatstadt zu arbeiten ist auf Dauer auch nicht das Wahre.“ So habe ich es von vielen Mitschülern mitbekommen und auch ich stehe jetzt bald vor der Entscheidung: Was will ich eigentlich nach Malawi machen??!

Ich habe keine Ahnung, weil ich mich nicht entscheiden kann und ich so viele unterschiedliche Ideen/Möglichkeiten habe.
Eben habe ich mich mit Carmen darüber unterhalten in was für einer „Luxussituation“ wir uns eigentlich befinden, dass wir überhaupt eine so große Auswahl haben, was wir in unserer Zukunft machen können und wollen.


Und nun zurück zu meinem Interviewpartner, warum sollte sich Cliffi auch wirklich ernsthaft Gedanken über seine Zukunft machen, wenn er sich gerade so und teilweise auch gar nicht die Schulgebühren leisten kann. Die wenigsten Schüler wissen, wie man einen Laptop/ Computer betätigt und was für eine anständige Bewerbung wirklich wichtig ist. Ein weiteres Problem ist, dass es auf dem Land und grundsätzlich in Malawi ein katastrophales Jobangebot gibt. Wenn überhaupt gibt es  anständige Jobs in der Stadt. Doch die Busfahrt in die Stadt muss man sich erst mal leisten können... Wie ihr sehen könnt, kommen ganz viele kleine Faktoren zusammen, die einem das Leben hier nicht immer einfach machen.
Bedenkt aber bitte mal wieder, dass es nicht jedem Menschen in Malawi so „ergeht“ wie Cliffi. Dennoch glaube ich, dass es hier bei vielen jungen Menschen so ist. Das Traurigste an der Sache ist, dass sie noch nicht mal was dafür können...

Noch kurz was ganz anderes: Vom 3.-8. Februar werden meine Mitfreiwilligen aus Malawi und ich nach Tansania (Moshi) zu unserem Zwischenseminar reisen. Dieses Seminar ist von „weltwärts“ vorgeschrieben und man muss dort hin – ich freue mich schon sehr!! Das tolle ist, dass wir dort auch auf die anderen Freiwilligen unserer Organisation aus Tansania und Kenia treffen. Werden so um die 20-30 Leute sein.
Doof ist nur, dass die Reise dort hin um die drei bis vier Tage dauert Ich bin mir aber sicher, dass es sich lohnt – schließlich müsste ich den Kilimandscharo sehen!

Eure Carlotta!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen