Mittwoch, 1. April 2015

22.03.15 - Leben im Norden und auf dem Land

Wie ihr jetzt alle so langsam wissen müsstet verbringe ich meine 11 Monate Freiwilligendienst in Chilumba, ganz im Norden Malawis. Ich wohne so weit nördlich, dass man mit dem Minibus innerhalb von weniger als drei Stunden an der tansanischen Grenze sein kann (es kommt natürlich immer auf den Minibus drauf an!).
Der Norden ist viel weniger besiedelt als beispielsweise Mittel- oder Südmalawi und auch leider unterentwickelter. Der Grund ist Folgender: In der Mittel- und Südregion leben grundsätzlich mehr Menschen – vor allem durch die Hauptstadt Lilongwe und die Stadt Blantyre. Bei Wahlen wählen die Bewohner hauptsächlich nur Politiker aus ihrer Region, wogegen die Leute aus dem Norden nicht „ankommen“. Somit unterstützen die Abgeordneten überwiegend ihr Gebiet und die nördlichen Bewohner müssen kürzer treten. Es ist vielleicht nur schwer vorstellbar, aber wirklich wahr. Ich bin mal gespannt, wenn wir diese Osterferien Richtung Süden reisen, ob tatsächlich diese Unterschiede deutlich werden - bisher wurde es uns nur erzählt.

Außerdem würde ich auch gerne mal darüber schreiben, dass ich im Nachhinein wirklich froh bin in einem solch ländlichen Projekt gelandet zu sein. Von allen Freiwilligen in Malawi leben Carmen und ich wohl am abgelegensten. Gut, für malawische Verhältnisse haben wir von unserer Lage noch Glück gehabt, da wir nur zwei Minuten von der Hauptstraße entfernt wohnen und relativ „schnell“ mit dem Minibus von A nach B kommen (die Betonung liegt auf relativ).
Dennoch, Carmen und ich sind beide Stadtkinder in Deutschland und ursprünglich definitiv etwas anderes gewöhnt.
Ich hatte das glaube ich in meinem aller ersten Bericht erwähnt, dass es anfangs für uns nicht ganz so einfach war. An unserem ersten Tag in Chilumba sind wir in der Dunkelheit angekommen. Am nächsten Morgen mussten wir mit Erschrecken feststellen, dass um uns herum nur Mais – und Cassavafelder stehen. Die Nachbarhäuser konnte man bloß erahnen...
Stück für Stück lernt man aber genau das wertzuschätzen – nämlich das Leben auf dem Land. Dadurch stehen wir in einem sehr engen Kontakt mit den Einheimischen und können viel von ihnen lernen. Angefangen bei praktisch bezogenen Sachen wie Wäsche waschen mit der Hand, über die Arbeit auf dem Feld, bis hin zum Nsima kochen und viele andere kleine Dinge. Wahrscheinlich sind das Sachen die in Deutschland nicht unbedingt wichtig sind bzw. „gebraucht“ werden. Dennoch ist es für mich persönlich eine kleine Bereicherung. Wenn die Leute einen sehen, wie man beispielsweise Nsima kocht, einen Chitenje (buntes Wickeltuch) trägt, mit den Dorffrauen draußen auf einer Matte unter dem Mangobaum sitzt und haufenweise am Cassava oder Mais schälen ist, freuen sie sich und wenn man sie DANN noch auf Chitumbuka begrüßt ist die Begeisterung groß und meistens lachen sie herzlich.
Es gibt drei Dinge die ich hoffentlich mit nach Deutschland nehme. Das sind:

Freundlichkeit, Geduld und Gelassenheit.
Einmal Freundlichkeit, weil so viele Leute mir täglich gut gelaunt und herzlich entgegentreten. Sie erkunden sich, ob man gut geschlafen hat und wie es einem geht. Düst man auf dem Fahrrad irgendwo lang möchten sie wissen wo es hingeht. Auch wenn man an einem Haus langläuft und die Bewohner nicht kennt, wird sich begrüßt und ein kurzer „Small-Talk“ gehalten. Junge Leute unterhalten sich noch mit älteren Herrschaften und hören aufmerksam zu, auch wenn die Gesprächsthemen sicherlich nicht immer die Interessantesten sind.
In Deutschland kennen die meisten noch nicht mal all ihre Nachbarn und für ein kleines Gespräch ist keine Zeit, schließlich muss man schnell zum nächsten Termin rasen.

Geduld und Gelassenheit habe ich vor allem durch das Reisen gelernt. Kommt der Bus zu spät bringt es rein gar nichts sich aufzuregen. Am Anfang waren Carmen und ich teilweise noch etwas genervt, wenn wir an der Hauptstraße mal wieder lange auf einen Minibus warten mussten. Jetzt nehmen wir es einfach hin und freuen uns umso mehr, wenn schon nach 5 Minuten ein Bus kommt. In Deutschland regt man sich auf, wenn ein Bus 5 Minuten zu spät kommt – ich war da nicht anders.
Ein anderes Beispiel gibt es aus unserem Urlaub auf Sansibar. An unserem letzten Tag auf der Insel wollten wir früh morgens eine Fähre nach Dar es Salaam nehmen und weiter Richtung Malawi reisen. Wir also super früh um vier Uhr morgens aufgestanden, um die erste Fähre zu bekommen. Am Schalter mussten wir dann leider mit Erschrecken feststellen, dass alles ausgebucht war (macht zur Hauptsaison auch irgendwie Sinn!). Es gab nur noch die drei letzten Plätze für die späteste Fähre um drei Uhr Nachmittags. Was blieb uns anderes übrig? Schwimmen nicht möglich und fliegen zu teuer. Natürlich haben wir uns am Anfang aufgeregt, weil wir umsonst so früh aufstehen mussten. Schnell haben wir aber über unsere eigene Dummheit lachen müssen und haben den ganzen Morgen/Tag auf einer Parkbank verbracht und sind unserem Ziel Malawi kaum ein Stück näher gekommen. Im Nachhinein finden wir es aber eine ganz witzige Story.


Oh, jetzt bin ich ein wenig abgeschweift. Was ich aber sagen noch sagen wollte, dass viele Malawier die ich kennengelernt habe viel entspannter sind und sich nicht annähernd so schnell aus der Ruhe bringen lassen, wie es bei uns öfters mal der Fall ist. Vieles wird einfach hingenommen und man regt sich nicht bis ins letzte Detail darüber auf. Ich genieße die Gelassenheit meiner Mitmenschen und stelle fest, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie so entspannt war wie hier und möchte meine bisherige Zeit wirklich nicht missen müssen.

Sicherlich, auch hier in Malawi ist definitiv nicht immer alles so rosig und vieles läuft falsch. Manche Ansichten oder kulturellen Praktiken kann ich nicht für gut heißen und auch in der Politik gibt es viel Korruption. Dennoch ist es mir wichtig Euch Lesern deutlich zu machen, warum es mir nicht schwer fällt mich in Malawi wohl zu fühlen und warum ich dieses Land bzw. meinen Ort so liebe. In Deutschland könnt ihr Euch wahrscheinlich nicht annähernd vorstellen, wie es hier für mich ist (könnte ich an Eurer Stelle auch nicht), deshalb ist es mir umso wichtiger wenigstens durch Worte ein Stück Malawi in die Heimat zu bringen. Wer weiß, vielleicht werdet ihr ja eines Tages auch „The warm heart of Africa“ bereisen und Euch an mich erinnern.

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